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Christine Fänder hat sich engagiert

Christine Fänder hat sich engagiert
© Edgar Nemschok

„Diese Worte habe ich nie vergessen“

Gedenkstein wieder ins Licht gerückt

Christine Duschek, geboren in Breslau, war zehn Jahre alt, als sie 1954 einen Gedenkstein auf dem evangelischen Friedhof St. Marien in Strausberg entdeckte. Darauf stand:
„Verharre Wanderer
und bete für mich,
bald kommt ein anderer
und betet für dich.
Hier ruhen im Märkischen Sand,
Flüchtlinge aus dem Schlesier Land“.

„Diese Worte habe ich zeitlebens nie vergessen, die passten so sehr für mich und meine Familie“, sagt die inzwischen 80-jährige, verwitwete Christine Fänder. Sie war damals mit ihrer ganzen Familie – Eltern, Großeltern und ihren Zwillingsschwestern – von 1944 bis 1948 auf der Flucht. Und nach den letzten Kriegstagen von Breslau über Alttrebbin schließlich in Strausberg gelandet. „Ich habe mir das alles ganz genau erzählen lassen“, sagt sie, von der Flucht im Januar 1945 in eisiger Kälte in einem Viehwaggon bis zur Notunterkunft in einem schmutzigen Mäuse-Keller in der Strausberger Wriezener Straße. Später bekam die fünfköpfige Familie eine Zwei-Zimmer-Wohnung. Man war angekommen. „Aber immer war auch der Friedhof ein Ziel, wenn jemand aus der Familie oder der Bekanntschaft gestorben war“, erinnert sich Christine Fänder noch heute an diese Zeiten und die vergangenen Jahrzehnte seitdem. Aber irgendwann war der Gedenkstein, an dem sie und viele andere Leute Blumen zur Erinnerung niederlegten, aus dem Sichtfeld am Rand der Hauptallee verschwunden. Da inzwischen fast ihre ganze Familie auf dem Friedhof zur letzten Ruhe gebettet wurde, hat sie sich zuerst bei der Friedhofsgärtnerin Katharine Wicht nach dem Verbleib des Gedenksteins erkundigt.

Deren Übernahme des Friedhofs liegt jetzt drei Jahre zurück. Es gab in der Zeit viel zu tun. „Bestandsaufnahme, Prioritäten setzen und Schätze sichern“, wie es ihr Vater Andreas Wicht, der immer mit seinem 30-jährigen friedhofsgärtnerischen Erfahrungsschatz zur Hilfe kommt, wann und wobei es immer nötig sein sollte. Als sich Christine Fänder an die Friedhofsgärtner wandte, hatten die sofort ein Bild im Kopf, was da zu tun wäre. „Komplettieren, eine neue, repräsentative Stelle suchen - das war unser Ziel.“ Den inzwischen unvollständigen Grabstein hatten sie verborgen unter Bäumen, hinter der Friedhofskapelle versteckt, gefunden. Ingo Wiprecht, ein Steinmetz der Firma Grana Steinmetzhütte aus Berlin, erklärte sich sofort bereit, ein passendes Kreuz zu spenden und den Stein aufzustellen. Ein neuer Platz war auch schnell gefunden: direkt vor der Kapelle. „Der Stein und das Kreuz standen, da verging keine Stunde und eine Frau kam auf uns zu und war begeistert. Sie hätte sogar noch alte Bilder daheim und würde sie sofort mitbringen, erklärte sie“, freuten sich Katharine und Andreas Wicht über den Zuspruch. „Als Frau Fänder kam, freute sie sich sehr über das Ergebnis und übernahm spontan die regelmäßig anfallenden Kosten für die Pflege der Grabstelle. Dafür sind wir sehr dankbar“, sagt Andreas Wicht. Pfarrer Thillman Kuhn erklärte dann auch auf, dass die Inschrift ein alter Bibelpsalm sei, der die Vergangenheit und die Zukunft beschreibe. „Niemand will vergessen sein, dass jemand gelebt hat, sollte man auch irgendwie sehen“, erklärten Katharine und Andreas Wicht ihr Engagement in dieser Sache.
„Ich freue mich jedes Mal darüber, wenn ich auf unseren Friedhof komme“, sagt Christine Fänder und stellt, wie immer, einen Strauß frischer Blumen an den Gedenkstein.


Textquelle: Irina Voigt

Datum: 17.08.2024


Inschrift  nie vergessen

Inschrift nie vergessen
© Edgar Nemschok

Andreas Wicht freut sich, dass die Grabstelle wieder angemessen aussieht

Andreas Wicht freut sich, dass die Grabstelle wieder angemessen aussieht
© Edgar Nemschok



Dieser Artikel wurde erstellt durch:

Redaktionsbüro reisereste.de
Edgar Nemschok
Redakteur


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