© NGG Berlin-Brandenburg
Kreis Märkisch-Oderland schiebt 1,7 Mio. Überstunden – viele zum Nulltarif
NGG Berlin-Brandenburg startet MdB-Appell gegen Abschaffung vom 8-Stunden-Tag
Der Kreis Märkisch-Oderland schiebt ordentlich Überstunden: Rund 1,7 Millionen Stunden haben Beschäftigte im vergangenen Jahr zusätzlich gearbeitet.
Davon rund 850.000 Überstunden zum Nulltarif ohne Bezahlung. Das geht aus dem „Arbeitszeit-Monitor“ hervor, den das Pestel-Institut im Auftrag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) gemacht hat.
Allein in Hotels und Gaststätten im Landkreis MOL leisteten Köche, Kellnerinnen, Barkeeper & Co. im vergangenen Jahr rund 25.000 Überstunden. Das hat das Pestel-Institut auf Basis einer Auswertung der Bundesagentur für Arbeit ermittelt. Die Wissenschaftler haben dabei für unseren Landkreis bundesweite Durchschnittswerte von Arbeitszeiten in der Gastronomie herangezogen. Demnach waren 53 Prozent aller im Landkreis Märkisch-Oderland geleisteten Überstunden in Hotels, Restaurants, Gaststätten und Biergärten unbezahlt.
Die Gewerkschaft warnt: Der Überstundenberg in MOL dürfte demnächst noch größer werden. Grund seien Pläne der Bundesregierung, die Arbeitszeit neu zu regeln: „Schwarz-Rot will eine wöchentliche Höchstarbeitszeit und den 8-Stunden-Tag abschaffen. Betriebe könnten von ihren Beschäftigten dann verlangen, auch zehn, elf oder in der Spitze sogar 12 Stunden und 15 Minuten pro Tag zu arbeiten“, sagt Sebastian Riesner von der NGG Berlin-Brandenburg.
Die NGG Berlin-Brandenburg schlägt Alarm: Schon jetzt betrage die maximale Arbeitszeit 48 Stunden pro Woche. In der Spitze seien sogar 60-Stunden-Wochen möglich. „Das sind Extrem-Arbeitswochen. Selbst wenn so ‚Hammer-Wochen‘ innerhalb eines Vierteljahres ausgeglichen werden müssen. Doch noch schlimmer wird es, wenn die Bundesregierung jetzt tatsächlich ans Arbeitszeitgesetz Hand anlegt und den 8- Stunden-Tag kippt. Dann würde nämlich nur noch das europäische Recht ein Wochen-Limit für die Arbeitszeit setzen. Und das wäre brutal: Arbeitgeber könnten ihre Beschäftigten dann sogar zu 73,5- Stunden-Wochen verdonnern - nämlich zu sechs Tagen à 12 Stunden und 15 Minuten im Job. Das wäre fast das doppelte Wochen-Pensum von heute – und damit Arbeitszeit-Stretching pur“, so Riesner.
Der Geschäftsführer der NGG Berlin-Brandenburg macht seinem Ärger Luft: „Viele Arbeitgeber im Kreis Märkisch-Oderland würden das hemmungslos ausnutzen. Es drohen dann völlig überladene Arbeitswochen, bei denen man die Stunden, in denen man nicht schläft, fast komplett im Job oder auf dem Weg zur Arbeit verbringt. Das macht Menschen dann aber fix und fertig. Außerdem würde dabei ein Riesenberg an Überstunden auflaufen. Und ans Abfeiern der Überstunden ist sowieso nicht zu denken – bei dem Fachkräftemangel, der eigentlich überall herrscht.“
Außerdem im Fokus der Gewerkschaft: Wer die Familie, den Beruf und die Pflege von Angehörigen unter einen Hut bringen müsse, brauche vor allem eines – planbare und verlässliche Arbeitszeiten. Und die müssten auch zu den Betreuungszeiten von der Kita und vom Hort passen. „Denn wer holt die Kinder dort ab, wenn die Schicht zwölf Stunden geht?“, fragt Riesner.
Die geplante Aufweichung des 8-Stunden-Tages gehe in die falsche Richtung. Schon heute jonglierten Familien zwischen Job, Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen.
„Längere Arbeitstage verschärfen die Probleme und verhindern eine gerechte Verteilung von Erwerbsarbeit, Kinderbetreuung und Pflege. Denn obwohl sich viele Väter wünschen, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, wird durch noch längere tägliche Arbeitszeiten das Alleinverdienermodell gestärkt“, warnt Sebastian Riesner.
Anstatt das Fachkräftepotential von Frauen zu nutzen, verhinderten XXL-Schichten eine echte Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Die NGG Berlin-Brandenburg nennt dazu auch Zahlen: So werden aktuell 56 Prozent aller Teilzeit-Jobs im Landkreis Märkisch-Oderland von Frauen gemacht. Die Gewerkschaft beruft sich dabei auf Angaben der Arbeitsagentur. Riesner appelliert daher an die Bundestagsabgeordneten aus dem Kreis Märkisch-Oderland und der Region, dem „Herumschrauben am Arbeitszeitgesetz in Berlin einen Riegel vorzuschieben“. Schon jetzt seien flexible Arbeitszeiten im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes und durch Tarifverträge, die die NGG abgeschlossen habe, für viele Beschäftigte Alltag. „Noch mehr Flexibilität ist garnicht nötig“, so Riesner.
Außerdem ersetzten 10- oder 12-Stunden-Tage keine fehlenden Fachkräfte.
„Gute Arbeitsbedingungen, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, systematische Qualifizierung und mehr Ausbildung. Das sind die richtigen Hebel für mehr Fachkräfte. Verschiebereien bei der Arbeitszeit sind nichts anderes als das Löcherstopfen bei einer zu dünnen Personaldecke“, so Sebastian Riesner.
Textquelle: NGG Berlin-Brandenburg
Datum: 09.09.2025
Dieser Artikel wurde erstellt durch:
Film- und Fernsehproduktion Rätzel
Stephan Rätzel
Redaktion
Tel.: 033 456 72 19 89
