Artur und Johanna Ickert warten darauf, dass die große Filmdatei hochgeladen ist.
© Heike Jänicke
Geschichte erzählen - die Kretschmanns und ihr Leben in 16 Minuten
Acht Mädchen und Jungen aus dem Oderbruch erleben in einem Ferien-Workshop, wie ein Film entsteht und gestalten diesen aktiv mit.
Dass Ferien nicht langweilig sein müssen und es auch nicht einer Fernreise bedarf, das haben jetzt acht Mädchen und Jungen aus dem Oderbruch erleben dürfen. Die Acht- bis 14-Jährigen konnten sich eine Woche als Filmemacher ausprobieren und sich einmal als Regisseur, Kameramann/frau, Interviewer, Texter oder Sprecher fühlen. Am Ende der aufregenden Tage wurde ihnen im übertragenen Sinne der „rote Teppich“ ausgerollt. Zur Premiere am Freitag, 25.10.24. Im Haus der Naturpflege – Arbeits- und Drehort. Keine andere Geschichte als die von Erna und Kurt Kretschmann, Begründer des Hauses der Naturpflege und Ehrenbürger der Stadt Bad Freienwalde, bot den Stoff für den 16-minütigen Dokumentarfilm. Möglich wurde diese dank der Kooperation zwischen dem Haus der Naturpflege, einer der Kulturerbe-Orte in der Region, und dem Oderbruchmuseum Altranft.
Artur gönnt sich noch eine Pause vor der Premiere. Der 14-Jährige gehört zu der Gruppe der jungen Filmemacher. Das Metier ist für ihn neu. Er interessiert sich fürs Filmemachen, wie er gegenüber MOL-Nachrichten sagt. Er würde gern so etwas wie Drehbuchautor werden. Er könne sich gut Geschichten und Charaktere ausdenken. Gemeinsam mit den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Ferien-Workshops konnte er erleben, wie ein Film entsteht. Und mehr noch: ihn selbst mitgestalten. Dabei habe ihn vor allem die Geschichte der Kretschmanns und besonders die von Kurt Kretschmann fasziniert, der Pazifist und Vegetarier war und gemeinsam mit seiner Frau ein Leben im Einklang mit der Natur führte. „Vor allem hat mich interessiert, dass er ein Deserteur war und sich geweigert hat, die Waffe zu benutzen“, erzählt er.
Für Artur ist nicht nur die ganz persönliche Geschichte neu, er selbst sei auch noch nie im Haus der Naturpflege gewesen. Eine Erfahrung für den Wriezener. Vermutlich wird es nicht der letzte Besuch in der Einrichtung gewesen sein. Denn das Johanniter-Gymnasium Wriezen, das Artur besucht, hat einen Kooperationsvertrag mit dem Haus der Naturpflege, wie Geschäftsführerin Katrin Bosse ergänzt. Dann sehe man sich bestimmt bald wieder, meint sie. Zusammen sitzen sie, Artur und Nora Scholz, sie ist die Projektkoordinatorin, draußen hinter dem Vortragshaus und lassen sich die selbstgemachte Pizza schmecken. In 15 Minuten beginnt die Premiere. Alle sind gespannt.
Wenige Meter entfernt, im früheren Haus der Kretschmanns, inmitten des wunderschönen Gartens, herrscht Aufregung. Der Download des Dokumentarfilms ist noch nicht abgeschlossen. Es dauert noch ein paar Minuten. „Hoffentlich klappt es“, meint Dr. Johanna Ickert. Sie ist die Chefin am Set, die Regisseurin. Auch beruflich ist das Filmen ihre erste Wahl. Sie ist Regisseurin und Kulturanthropologin. Vor ihr steht ihr Laptop. Erna und Kurt Kretschmann sind dabei - auf Fotos, in ihren Schriften und mit ihrem Spirit. Einer der Jungs fotografiert noch im Haus, der andere wartet geduldig auf das Ende des Downloads. Dr. Johanna Ickert, die zusammen mit Kameramann Tobias Jall den Workshop leitet, hat den Großteil der vergangenen Nacht damit verbracht, den Film zu schneiden. Eine Herausforderung. „Wir hatten sieben Stunden Material, vor allem lange Interviews, viele Beobachtungen“, erklärt die Regisseurin. Daraus ist ein 16-minütiger Dokumentarfilm entstanden. „Sich filmisch einem Ort zu nähern, ist schon eine potenzierte Erfahrung von einem Ort“, gibt sie zu. Gerade die Geschichte von Kurt Kretschmann sei aktueller denn je. Dabei gesteht sie, dass sie anfangs schon ein bisschen Angst gehabt habe ob des Themas, ob sich die Kinder überhaupt mit einem älteren Ehepaar und deren Geschichte auseinandersetzen wollen. Doch ihre Bedenken waren schnell verflogen. Zum Beispiel beim Mulchen. Durch das Ausprobieren seien die Kinder begeistert gewesen. „Erst haben wir das Experiment mit dem Regenwurm gemacht und dann am nächsten Tag haben wir das Gemüse gegessen, das im gemulchten Garten wächst“, erzählt Dr. Johanna Ickert, immer den Blick auf den Laptop. Und dann ist es endlich soweit. Die große Film-Datei ist hochgeladen.
Im Vortragshaus sitzen bereits Gäste, darunter Eltern der Mitglieder der Filmcrew auf Zeit. „In diesen fünf Tagen einen Film zu produzieren, ist schon eine sportliche Aufgabe“, wie Nora Scholz im Vorfeld meint. Elf Dokumentarfilme gebe es bereits. Mittelpunkt sei immer ein Kulturerbe-Ort. Sie entstehen meist als Schul- oder, wie eben dieser über die Kretschmanns, als Ferienprojekt.
Dann ist der Moment gekommen. Film ab für „Geschichte(n) entdecken: Erna und Kurt Kretschmann und das Haus der Naturpflege“. Er zeigt, wie neugierig und offen sich die jungen Filmemacher den Kretschmanns und deren Leben nähern. Wie sie mit Zeitzeugen die Themen aufgreifen, mit denen sich Erna und Kurt Kretschmann Zeit ihres Lebens beschäftigt haben; mit der Natur vor allem, de Weißstorch, der Naturschutz-Eule, dem Mulchen und mit dem Leben als Vegetarier und Pazifist. Sie zeigen sie als Interviewer, Radiosprecher, Fotograf. Sie zeigen sie begeistert und mittendrin.
Am Ende gehört der Applaus gehört ihnen. „In dem Haus zu schneiden, wo die Kretschmanns gelebt haben, das ist schon besonders gewesen“, gesteht Dr. Johanna Ickert mit Tränen in den Augen. „Es war eine wunderbare Woche. Ich freue mich, dass ihr acht dabei gewesen seid“, bedankt sich Katrin Bosse. Nicht nur mit Worten, sondern auch mit einem kleinen Geschenk – ein grüner Stoffbeutel mit der Naturschutz-Eule als Aufdruck. „Ich werde Euch vermissen“, schickt die Geschäftsführerin des Hauses der Naturpflege noch hinterher, bevor alle auseinandergehen.
Zu sehen sein wird der Film auf youtube, auf der Webseite des Oderbruchmuseums und des Hauses der Naturpflege.
www.haus-der-naturpflege.de
www.oderbruchmuseum.de
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Datum: 28.10.2024
In wunderbarem Licht und in tollen Herbstfarben - der weitläufige Garten des Hauses der Naturpflege.
© Heike Jänicke
Der Mulchgarten wird im Dokumentarfilm näher beleuchtet.
© Heike Jänicke
Dieser Artikel wurde erstellt durch:
Freie Journalistin Heike Jänicke
Heike Jänicke
Redakteurin